Kleine & Stille Geburt
Ganz gleich ob während der Schwangerschaft, kurz vor, während oder nach der Geburt – ein Kind zu verlieren ist eine der schlimmsten und schmerzhaftesten Erfahrungen, die Eltern machen können. Das Geschehene ist unbegreiflich, die Eltern sind oft wie betäubt. Doch gerade in dieser Situation müssen Entscheidungen getroffen werden, zu denen sich Eltern zunächst gar nicht fähig fühlen.
Wenn ihr die Diagnose während oder am Ende der Schwangerschaft erfahrt, gelten die ersten Überlegungen der Geburt. Auch wenn es euch unmöglich erscheint, euch Gedanken darüber zu machen, wie euer Sternenkind geboren werden soll, möchten wir euch unbedingt dazu ermutigen, diese schwierige Situation nach euren Vorstellungen zu gestalten. Viele Betroffene erleben es als heilsam, trotz all dem Schmerz, der Ohnmacht und Hilflosigkeit wieder aktiv zu werden, sich einzubringen und den unabweichbaren Gegebenheiten doch ihre ganz eigene Prägung zu geben.
Und zögert nicht, euch alle Unterstützung zu holen, die ihr braucht. So könnt ihr zum Beispiel auch Freunde und Angehörige darum bitten, Informationen für euch zu sammeln, damit ihr mit euren Kräften haushalten könnt. Oder aber es hilft euch, den Schock erstmal mit Tätigkeit und Recherche anzugehen – jeder hat seinen ganz individuellen Weg der Bewältigung.
Je nach Stadium der Schwangerschaft unterscheidet man:
1. Die sogenannte kleine Geburt
Möchte die Frau im frühen Stadium der Schwangerschaft (bis zur 12. SSW) keine Ausschabung, kann sie abwarten, ob/bis der Körper das gestorbene Kind in einem natürlichen Vorgang ausscheidet, manche sprechen in diesem Fall auch von einem natürlichen Abgang. Dieser findet in der Regel zu Hause statt. Eventuell kann aber dennoch eine anschließende Ausschabung notwendig sein.
Vorbereitung auf eine kleine Geburt
Folgende Hinweise können hilfreich sein:
Bitte besprecht euch mit eurer/em Gynäkologin/en und/oder Hebamme:
- Wie stark darf die Blutung beim Abgang sein?
- Wann müsstest du gegebenenfalls in die Notaufnahme?
- Ist ein weheneinleitendes Mittel zu empfehlen? Wenn ja, was ist dabei zu beachten?
- Gibt es naturheilkundliche oder homöopathische Unterstützungsmöglichkeiten?
Wollt ihr abwarten, bis euer Körper die kleine Geburt natürlich einleitet?
- Wenn ja, lasst euch dabei von eurer/em Gynäkologin/en und/oder Hebamme begleiten. Sobald außergewöhnliche Schmerzen oder Krämpfe auftreten, wendet euch sofort an sie oder an die Notaufnahme.
Telefonkontakt mit der Hebamme:
- Speichert die Telefonnummer der Hebamme ein, damit ihr schnell anrufen könnt, wenn es mit der kleinen Geburt losgeht.
- Fragt die Hebamme, welche Bedingungen sie für die Rufbereitschaft hat und was sie realistisch abdecken kann. Hebammenleistungen können mit der Krankenkasse abgerechnet werden!).
Telefonische Erreichbarkeit von Vertrauensperson:
- Stellt sicher, dass ihr euren Partner oder eine andere Vertrauensperson anrufen könnt, damit diese zu euch kommen und euch unterstützen.
Kliniktasche:
- Bereitet für alle Fälle eine Kliniktasche vor, falls ihr ins Krankenhaus müsst.
Ab wann ins Krankenhaus?
- Solltest du das Gefühl haben, du schaffst es nicht zu Hause, auch wenn ein bestimmter Schmerzgrad noch nicht erreicht ist, folge deinem Gefühl und lass dich ins Krankenhaus bringen.
Vorbereitungsoptionen für zu Hause:
- Vielleicht möchtest du ein Küchensieb aus Plastik besorgen, das du mit Küchenpapier auslegen und in die Toilettenschüssel stellen kannst, wenn die Geburt los geht. So kannst du verhindern, dass dein Kleines aus Versehen in der Toilette herunter gespült wird. Du kannst es herausnehmen, um es zu bestatten oder untersuchen zu lassen.
Punkte, die nach einer kleinen Geburt gynäkologisch überprüft werden sollten:
- Ultraschall, um zu überprüfen, ob sich das ganze Gewebe gelöst hat oder es Rückstände gibt und es evtl. noch einer Ausschabung bedarf
- Bluttest, um zu testen, ob die HCG-Werte entsprechend zurück gehen
- Eventuell noch andere Untersuchungen, je nach Anraten der Gynäkologin/Hebamme
- Vielleicht brauchst du noch Zeit, um das Geschehene zu verarbeiten, dann kannst du dir eine Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung ausstellen lassen und gegebenenfalls deine Ansprüche auf Mutterschutz abklären.
Kleidung oder Einschlagtücher für die Kleinen:
- Es kann schön sein, auch die Allerkleinsten in Einschlagtücher zu wickeln oder für die Bestattung in ein Filznestchen zu betten. Ihr könnt dabei selber kreativ werden, in der Klinik nachfragen, oder etwas bestellen.
Bezugsadressen findet ihr hier.
Auf mamahoch2.de gibt es als Gastbeitrag einem ausführlichen Erfahrungsbericht über den Verlauf einer kleinen Geburt. (Dieser Bericht ist ein Gastbeitrag auf Sabrina Heinkes Seite mamahoch2.de)
2. Stille Geburt oder Totgeburt
Darunter versteht man die Geburt eines bereits verstorbenen Kindes im späteren Stadium der Schwangerschaft (ab der 14. SSW).
Die stille Geburt kann im Krankenhaus (oder gegebenenfalls Geburtshaus) stattfinden oder als Hausgeburt mit Begleitung einer Hebamme geplant werden.
Manche Menschen haben noch im Kopf, dass durch ein totes Baby im Körper Leichengift entsteht, aber das stimmt nicht. Solange die Fruchthülle intakt ist, sind Kind und Fruchtwasser keimfrei. Auch wenn das tote Kind zur Welt gekommen ist, enthält sein Gewebe keine krank machenden Bakterien – es sei denn, es hatte eine schwere Infektion. In den meisten Fällen gibt es also keine gesundheitliche Gefährdung für die Mutter. So spricht nichts dagegen, wenn du dir erstmal etwas Zeit lässt, um in Ruhe zu entscheiden, wie es weitergehen soll. Hilfreich ist sicherlich die Abstimmung mit deiner/m Gynäkologin/en und/oder deiner Hebamme.
Zeit braucht ihr für eure Seele, Psyche und den Körper. Eure bisherige Realität, dass ihr ein Kind bekommen werdet, die Realität des Körpers, dass er ein Kind bis zur Geburt austrägt, ist zerbrochen und muss sich erst wandeln und Wandel braucht seine Zeit. Für manche Frauen ist es der richtige Weg geburtseinleitende Medikamente zu nehmen, andere möchten sich die Zeit nehmen, bis der Körper seinen eigenen Rhythmus findet und er von sich aus die Schwangerschaft beendet.
Leider haben wir in der heutigen Zeit oft verlernt, auf unseren Körper und die uns innewohnende Intuition und Weisheit zu vertrauen. Aber unsere Körper wissen, was zu tun ist, versucht auf sie zu hören und den für euch richtigen Weg zu finden. Parallel dazu könnt ihr auch immer auf die heutige Medizin und ihre Möglichkeiten zurückgreifen. Es geht nicht um entweder-oder, sondern um sowohl-als-auch. Hört auf euch und nehmt all die Hilfe, Diagnosemöglichkeiten und Formen der Unterstützung an, die euch zur Verfügung stehen.
Vorbereitung auf eine stille Geburt oder Totgeburt
Folgende Überlegen können hilfreich sein, um eure Geburt selbstbestimmt zu gestalten:
Planung der Geburt
- Hattet ihr bereits Vorstellungen zur Geburt eures Kindes? Wenn ja, ist es hilfreich, möglichst viele davon trotz allem umzusetzen. Dazu gehören Überlegungen wie: Wo soll mein Kind auf die Welt kommen? Wen möchte ich bei der Geburt dabei haben? Wer soll das Baby nach der Geburt sehen?
Unterstützung durch eine Hebamme
- Sucht so bald wie möglich nach einer Hebamme, die euch auf diesem schweren Weg begleitet, falls ihr nicht schon eine habt.
Wahl des Geburtsortes
- Wenn ihr in eine Klinik gehen wollt, sammelt Informationen über die unterschiedlichen Krankenhäuser, in denen ihr euch eine Entbindung vorstellen könnt. Wenn ihr eine Hausgeburt wünscht, klärt ob dies möglich ist und bis zu welchem Zeitpunkt.
Klinikgeburt
- Vereinbart einen Termin zur Vorbesprechung
- Macht euch soweit wie möglich vorab Gedanken, wie ihr euch die Geburt vorstellt und besprecht dies mit den Hebammen. Was ist euch wichtig? Schmerzmittel, PDA? Empfehlenswert ist es, ein Familienzimmer zu beantragen, dafür werden die Versicherungskarten beider Eltern benötigt. Das Familienzimmer wird von der Krankenkasse übernommen, dafür muss der behandelnde Arzt ein vorgegebenes Formular unterschreiben, das im Krankenhaus vorliegt.
- Wenn ihr es vorab schon sagen könnt, teilt den Ärzten am besten vor Zeugen mit, ob ihr euer Kind nach der Geburt sehen wollt und ob ihr es mit nach Hause nehmen wollt. Ebenso ob ihr es selber bestatten lassen möchtet oder über die Klinik in einer Gemeinschaftsbestattung beerdigen lassen wollt (letzteres ist bis zu einem Geburtsgewicht bis 500 g möglich). Mehr dazu unter dem Punkt Bestattung.
- Klärt ab, welche Rechte ihr auf Mutterschutz habt und dass ihr von der Klinik eine entsprechende Bescheinigung bekommt. Weiteres unter Mutterschutz und hier.
- Besprecht, ob euer Kind obduziert werden soll oder nicht. Mehr dazu weiter unten unter dem Punkt Obduktion oder bei Initiative Regenbogen.
- Ihr könnt eine Vertrauensperson oder auch eine Geburtsbegleiterin/Doula bitten, euch zur Vorbesprechung in die Klinik und ebenso zur Geburt zu begleiten.
Kliniktasche vorbereiten
- Bereitet eine Liste mit wichtigen Telefonnummern vor und steckt sie mit in die Kliniktasche, so könnt ihr und auch die Ärzte/Hebammen bei Komplikationen schnell agieren.
- Möchtet ihr Fotos von eurem Kind? Dann denkt daran, eine Kamera oder ein Handy mit Kamerafunktion einzupacken, um Fotos machen zu können. Es gibt auch sogenannte Sternenkinderfotografen, die dies ehrenamtlich übernehmen. Dein Sternenkind Fotografen, Liste von Fotografen nach Postleitzahlen sortiert
- Ihr könnt euch weiterhin fragen: Will ich meinem Kind eigene Kleidung anziehen? Welche? Will ich eine besondere Kuscheldecke oder etwas ähnliches mitnehmen, um mein Kind darin einzuwickeln? Möchte ich eine besondere, vielleicht selbst gestaltete Kerze mitnehmen? Gibt es sonst noch wichtige Dinge, die ich für mein Kind oder für mich zurGeburt mitnehmen möchte?
- Eventuell möchtet ihr ein duftendes Öl besorgen, damit das Kleine von euch, der Hebamme oder dem Seelsorger gesalbt werden kann (am besten vorher absprechen).
Für euer Baby
- Bitte erkundigt euch, ob es in der von euch gewählten Klinik Kleidung und/oder Tücher zum Hineinbetten für die Kleinen gibt. Wenn nicht oder wenn ihr eine Hausgeburt oder eine Geburt in einem Geburtshaus plant, könnt ihr diese auch selber besorgen: LINKS
- Filznestchen: Adresse von Frau Keller-Stoy?
- Bezugsquelle für Abschiedbox mit Kleidung und Erinnerungsstücken: LINK
- Es gibt auch ein mobiles Kühlsystem, das CuddleCod. Dadurch könnt ihr im Krankenhaus, aber auch zu Hause noch so viel Zeit wie möglich mit eurem Sternenkind verbringen. Im voraus bestellen und ausleihen könnt ihr es über Hopesangel.
- Wenn ihr euer Baby noch mit nach Hause nehmen wollt, ist bei Kindern über 500 g Geburtsgewicht zu klären, welcher Bestatter bereit ist, das Kind vom Krankenhaus nach Hause zu bringen. Dies ist rechtlich notwendig, da die Überführung nicht selber vorgenommen werden darf.
Hier geht es zu einem Erfahrungsbericht über eine stille Geburt.
Obduktion
Ist die Todesursache für euer Kleines bereits klar, wie etwa Nabelschnurkomplikationen, so bedarf es keiner Obduktion. Eine Obduktion, in der euer Baby und die Plazenta untersucht werden, kann Aufschlüsse über die Todesursache/n geben. Dies erfolgt nach Wunsch der Eltern oder entsprechend auch nicht. Es besteht auch die Möglichkeit, nur die Plazenta untersuchen zu lassen, was für mögliche Folgeschwangerschaften wichtig sein kann.
Zu wissen, warum euer Sternenkind gestorben ist, kann hilfreich sein. Manche Eltern befürchten, dass sie auf irgendeine Weise zum frühen Tod ihres Kindes beigetragen haben, was starke Schuldgefühle auslösen kann. Ein Befund, wenn er zu einer eindeutigen Aussage führt, kann für die Eltern entlastend sein. In den meisten Fällen wird allerdings keine eindeutige Todesursache gefunden.
Als Eltern habt ihr immer auch das Recht auf Nichtwissen. Eine Obduktion bedarf des Einverständnisses der Eltern. Falls jedoch unklar ist, ob eine natürliche Todesursache vorliegt, zum Beispiel beim plötzlichen Säuglingstod, wird eine Obduktion gerichtlich angeordnet.
Eine gute Anlaufstelle für die Plazentadiagnostik bzw. Obduktion: Prof. Dr. Annette Müller aus Köln, Telefon: 0221/47 88 55 09, Pathologie UK Köln
Weitere Infos zum Thema Obduktion gibt es auf familienplanung.de und bei Initiative-Regenbogen.de.